Bakterien sind die Guten
Die Verleumdung unserer besten Freunde
Die Bakterien spielen in der Evolution des Menschen eine wesentliche Rolle. Durch deren Genpool konnten wir uns im Laufe der Zeit an neue Umweltbedingungen anpassen und so auch überleben. Ohne das genetische Material der Bakterien und damit ihren außerordentlichen Fähigkeiten, wäre der Mensch schon längst ausgestorben.
50 Billionen Bakterien bilden das Mikrobiom
In unserem Körper existieren ca. 50 Billionen Bakterien, im Gegensatz zu ungefähr 30 Billionen Körperzellen. Sie bilden gemeinsam das Mikrobiom, welches zwar hauptsächlich unsere Darmflora umfasst, aber dennoch alle Körperregionen mit einbezieht. Es gibt kaum eine Region im Menschen, die völlig steril ist.
Der Begriff Mikrobiom ist abseits der Wissenschaft und interessierten Laien jedoch nur wenig geläufig. Daher erscheint es oftmals angebrachter, von „guten“ und „schlechten“ Mikroorganismen zu sprechen. Aber auch hier ist eine Abgrenzung nicht ganz einfach.
Gute Bakterien, schlechte Bakterien
Gute Bakterien sind Mikroorganismen, die eine positive Funktion für den menschlichen Körper haben. Dies kann entweder direkt oder indirekt erfolgen. So sind manche Mikroorganismen nur die notwendigen Unterstützer von anderen positiven Bakterien, ohne die Letztere nicht überleben können, haben aber selbst keinen direkten Effekt auf den Mensch. Diese Symbiosen treten fast immer in bakteriellen Gemeinschaften auf.
Schlechte Erreger hingegen sind Mikroorganismen, die dem Körper Schaden zufügen können und eine Infektion oder eine Erkrankung verursachen. Dies kann durch ihre massive Vermehrung oder durch das Ausschütten von Giftstoffen erfolgen oder in dem sie gute Bakterien verdrängen und damit die positive Wirkung derselben eliminieren.
In der öffentlichen Wahrnehmung sind Bakterien meist schlecht. „Du hast dir was eingefangen“ – schon dieser Satz impliziert, dass etwas „Schlechtes“, „Böses“, ein „Parasit“ in uns „eingedrungen“ ist und wir davon „bedroht“ werden. Dies resultiert auch aus der starken Marktstellung von Antibiotika Medikamenten. Fast jeder hat schon mal ein Antibiotikum schlucken müssen, um bei einer Erkrankung „bösartige“ Keime aus seinem Körper zu vertreiben. Die Werbung der Pharmaunternehmen wählt hierbei ein sehr einfaches Bild: Schädliche Keime sind in den Körper eingedrungen, verursachen eine Infektion, und werden mittels der Allzweckwaffe Antibiotika wieder ausgetrieben bzw. vernichtet. Die Problematik der zunehmenden Resistenzen wird dabei kaum thematisiert. Auch wenn die Liste der pathogenen, also krankmachenden Keime nicht besonders lang ist, im Vergleich zu den Hunderttausenden von Arten, die für den Menschen eine unterstützende Wirkung haben, so sind es eben die „bösen“ Keime, welche nur durch „Antibiotika“ besiegt werden, die in der öffentlichen Wahrnehmung dominieren.
Medien lieben schlechte Bakterien und schlechte Nachrichten
Dies liegt besonders an der medialen Berichterstattung. So gut wie nie wird über die positiven Effekte der Mikroorganismen berichtet. Dies mag zum einen an der fehlenden mikrobiologischen Kompetenz der Massenmedien liegen, zum Anderen aber auch daran, dass v.a. negative Nachrichten Schlagzeilen erzeugen. Wenn von einem „Killerbakterium“, „Körperfresser“ oder einer tödlichen Infektion berichtet wird, welche wieder einen „schutzlosen“ Menschen getötet hat, so ist die Aufmerksamkeit der meisten Leser größer, als wenn darüber geschrieben wird, dass das Bakterium A das Wachstum von Bakterium B fördert, welches einen positiven Einfluss auf die Körperfunktion C besitzt.
Medien, Pharma und Patienten – eine fatale Dreiecksbeziehung
Die Sensationsgier der Massenmedien und ihres Publikums, die Ausrichtung auf Klicks und Werbeinhalte fördert die Entstehung einer Dystopie, in der die Bakterien unsere Feinde sind, die vernichtet werden müssen. In dieser traumatisierten Welt lassen sich auch die Antibiotika bzw. Arzneimittel der Pharmaunternehmen viel besser verkaufen. Es ist eine fatale win-win Situation: Die Pharmakonzerne machen Umsatz mit der Angst der Menschen vor dem schweren Verlauf einer bakterieninduzierten Infektion. Und die Patienten bekommen Arzneimittel und Medikamente geliefert, welche schnell und zuverlässig wirken und für die sie nicht ihren Lebensstil und ihre Verhaltensweisen anpassen müssen. Dass auf diese Weise jedoch auch die guten Mikroorganismen – nicht nur im Darm – zerstört werden, was wiederum neue Krankheiten zur Folge hat, wird stetig ignoriert. Ganz zu schweigen von den zunehmenden Resistenzen, die bei den wenigen fatalen Infektionen, bei denen wirklich der Einsatz von Antibiotika erforderlich ist, über Leben und Tod entscheiden können. Diese fatale Dreiecksbeziehung aus Medien (schlechte Nachrichten verkaufen sich besser), Pharmakonzernen (Angst vor Bakterieninfektionen führt zu vermehrten Einsatz von Antibiotika und ist damit ein Umsatztreiber) und Patienten (schnelle Lösungen sind gefragt) führt zu der verzerrten Sichtweise und lässt vergessen, dass Bakterien eigentlich „die Guten“ sind. (JS)
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