Kurven des Lebens

Zuletzt aktualisiert: Feb. 21, 2025 | Körper

Kurven des Lebens

Auf der einen Seite eine geschwungene Taille – auf der anderen eine fast gerade Linie. Der Friseur richtet den Kopf stets zurecht, doch immer wieder kippt er unbewusst zur Seite. Beim Purzelbaum dreht sich der Körper wie von selbst in eine bestimmte Richtung. Wer diese kleinen Eigenheiten aus dem Alltag kennt, könnte eine gemeinsame Ursache vermuten: Skoliose – eine seitliche Verbiegung der Wirbelsäule, die weit mehr ist als nur eine Haltungsauffälligkeit.

Ca. 2–3 % der Allgemeinbevölkerung haben eine idiopathische Skoliose. Rechnet man das auf die Weltbevölkerung hoch, so sind davon über 200 Millionen Menschen betroffen. Sie tritt weltweit auf, und die Ursache ist unbekannt. Doch was wäre, wenn die Bakterien, unser Mikrobiom, eine wesentliche Rolle darin spielen würden? Doch beschäftigen wir uns zuerst mit den Grundlagen.

Was genau ist eine Skoliose?

Skoliose ist eine komplexe Fehlstellung der Wirbelsäule, bei der es nicht nur zu einer seitlichen Krümmung (Frontalebene) kommt, sondern auch zu einer Verdrehung der Wirbelkörper (axiale Ebene). In manchen Fällen geht sie zusätzlich mit einer verstärkten Krümmung nach vorne oder hinten einher – sei es in Form eines Rundrückens (Kyphose) oder eines Hohlkreuzes (Lordose). Je nach Ursache unterscheidet man zwischen idiopathischer Skoliose, deren Ursprung unbekannt ist, angeborenen Fehlbildungen oder sekundären Formen, die sich als Folge anderer Erkrankungen oder nach Eingriffen – wie etwa einer Nierenentfernung – entwickeln können.
Skoliose tritt besonders häufig in der Wachstumsphase auf, ist aber in ihren Auswirkungen sehr individuell. Nicht die Gradzahl allein bestimmt, wie stark jemand betroffen ist: Ein Mensch mit einer Krümmung von 100 Grad kann weitgehend schmerzfrei leben, während jemand mit einer Krümmung von nur 30 Grad unter starken Beschwerden leidet. Jede Skoliose ist einzigartig – und ihre Behandlung erfordert immer eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Körpers.

Wie finde ich heraus, ob ich eine Skoliose habe?

Tatsächlich gibt es einige typische Anzeichen, die erste Hinweise auf eine Skoliose geben können. Doch bevor du in Panik gerätst: Nicht jede Abweichung bedeutet automatisch ein Problem. Ohne Beschwerden gilt eine Skoliose zunächst als harmlose Verdrehung der Wirbelsäule – denn eine komplett gerade Wirbelsäule ist eher die Ausnahme als die Regel.

Vielleicht ist dir schon einmal eine Asymmetrie aufgefallen – sei es in der Lendenwirbelsäule, wo eine Hüfte prominenter erscheint als die andere, oder im Schulterbereich, wenn eine Seite tiefer sitzt. Falls du auf Nummer sicher gehen möchtest, kannst du gemeinsam mit einer vertrauten Person den Vorbeugetest nach Adam durchführen:

1. Stelle dich aufrecht hin – Füße zusammen, Knie gestreckt, Arme locker seitlich hängen lassen.
2. Beuge dich langsam nach vorne – dein Oberkörper sollte parallel zum Boden sein, die Arme bleiben entspannt nach unten hängen.
3. Lass deinen Rücken beobachten – ist eine Asymmetrie sichtbar? Wölbt sich eine Seite im Rippen- oder Lendenbereich stärker hervor?

Diese Auffälligkeiten entstehen durch die Verdrehung der Wirbelkörper – unabhängig von der seitlichen Krümmung. Falls du solche Anzeichen bei dir feststellst, lohnt sich ein Besuch beim Orthopäden, um die Wirbelsäule genauer untersuchen zu lassen.

Zur genauen Diagnostik wird meist ein Röntgenbild angefertigt, um den Cobb-Winkel zu bestimmen – allerdings geht dies mit einer gewissen Strahlenbelastung einher. Eine 4D-Wirbelsäulenvermessung bietet hier eine strahlungsfreie Alternative und ermöglicht eine dreidimensionale Darstellung der Wirbelsäule; jedoch kann mit dieser Methode der Skoliose-Winkel nicht gemessen werden.

Neben der Skoliose gibt es – wie oben schon erwähnt – weitere Wirbelsäulenfehlstellungen, die oft mit Beschwerden einhergehen. Eine Hyperkyphose (verstärkter Rundrücken) kann starke Schmerzen verursachen; hier bietet die 4D-Vermessung sogar eine Winkelberechnung. Auch eine ausgeprägte Lordose (Hohlkreuz) kann behandelt werden. Wichtig ist: Schmerzen müssen nicht sein. Wenn du Beschwerden hast, zögere nicht, dir Unterstützung zu holen.

Was für Auswirkungen kann eine Skoliose haben?

Die Auswirkungen einer Skoliose sind äußerst individuell und hängen stark vom allgemeinen Gesundheitszustand ab. Während manche Betroffene kaum Einschränkungen verspüren, können andere mit Rückenschmerzen, Verspannungen und Bewegungseinschränkungen zu kämpfen haben. Eine ungleichmäßige Belastung der Gelenke kann auf Dauer sogar zu Arthrose führen. In schweren Fällen können sich auch die inneren Organe bemerkbar machen: Eine starke Verkrümmung kann die Lungenkapazität einschränken oder das Herz belasten, da der Brustkorb bei manchen Skoliosen asymmetrisch geformt ist.

Wenn du noch in der Wachstumsphase bist und eine mittelschwere Skoliose (20–40° Cobb-Winkel) diagnostiziert wurde, kann es sein, dass dir ein Korsett verschrieben wird. Das bedeutet nicht nur eine physische Beanspruchung, sondern auch eine mentale Herausforderung. Besonders in der Pubertät, einer Phase, in der das eigene Körperbild oft kritisch hinterfragt wird, kann ein Korsett eine Belastung für das Selbstbewusstsein sein. Hier ist es auch immer eine Frage des Abwägens: Ist es mir das wert, eine möglicherweise unvorhersehbare Verbesserung zu erzielen und dabei das Risiko einzugehen, mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert zu werden?

Es ist schwer zu sagen, wie viel ein Korsett helfen wird. Das hängt auch davon ab, wie viel Sport und Physiotherapie der Jugendliche nebenbei macht und ob er seine Muskeln stärken kann. Auch hier gilt: Höre auf dich und deinen Körper. Höre dir mehrere Perspektiven an – niemand kann zu 100  % sagen, was richtig oder falsch ist. Wäge die Tatsachen ab, erkundige dich über die negativen als auch die positiven Seiten und finde die Lösung, die für dich am besten passt.
Für Erwachsene ist ein Korsett in der Regel keine Option mehr, da das Wachstum abgeschlossen ist. Hier kommen andere Therapiemöglichkeiten zum Einsatz.

Therapiemöglichkeiten für Skoliose

Young woman breathing

Die Katharina-Schroth-Therapie ist eine spezielle Form der Physiotherapie zur Behandlung von Skoliose und wurde von Katharina Schroth entwickelt, die selbst an einer Skoliose litt. Ihr Grundprinzip basiert auf zwei zentralen Säulen:


1. Die dreidimensionale Korrektur

Skoliose betrifft nicht nur die seitliche Krümmung, sondern auch die Rotation der Wirbel und Veränderungen der Körperhaltung. Gemeinsam mit einem Physiotherapeuten – und später auch eigenständig – korrigierst und entdrehst du deinen Körper bewusst und führst in dieser optimierten Haltung verschiedene Übungen durch.


2. Die spezifische Atemtechnik

Jede Übung ist mit einer gezielten Atemtechnik verknüpft. Durch bewusstes Atmen in die „eingedrückten“ Bereiche, wie zum Beispiel das sogenannte Lendental bei einer Verkrümmung im Lendenwirbelsäulenbereich, kann die Wirbelsäule aktiv beeinflusst und korrigiert werden.

Das mag zunächst ungewöhnlich klingen – wie soll es möglich sein, in bestimmte Bereiche des Körpers zu atmen? Doch probiere es einmal aus: Konzentriere dich bewusst auf eine Körperregion, etwa deine Brust, und versuche, gezielt dorthin zu atmen. Spürst du, wie du dich dabei aufrichtest? Warum sollte das nicht auch in anderen Körperbereichen funktionieren? Wenn du beispielsweise eine Verdrehung im linken Lendenbereich hast und bewusst in die rechte Seite atmest (das Lendental), bewegst du damit aktiv deine Wirbelsäule.

Diese Therapie erfordert nicht nur konsequentes Üben, sondern auch ein grundlegendes Verständnis für die eigene Haltung und die Bewegungsmuster. Es ist wichtig zu wissen, was man tut, warum man es tut und wie man es richtig macht. Ohne dieses Verständnis wird die Umsetzung in der Praxis schwierig. Deshalb lohnt es sich, einen spezialisierten Physiotherapeuten oder eine Katharina-Schroth-Klinik aufzusuchen. Bei Skoliose besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, eine Rehabilitation zu absolvieren.

Sich in die Therapie hineinzudenken und sich die eigene Wirbelsäule bildlich vorzustellen, ist essenziell – sie ist flexibel und kann beeinflusst werden. Auch wenn du bereits ausgewachsen bist, sind Verbesserungen immer möglich. Sei auf keinen Fall verzweifelt: Menschen mit Skoliose, die aktiv an ihrer Haltung arbeiten, haben oft weniger Beschwerden als Menschen ohne Skoliose, die ihre Rückengesundheit vernachlässigen.

Neben der Therapie spielt auch Sport eine entscheidende Rolle. Orthopäden haben hierzu oft unterschiedliche Meinungen, doch grundsätzlich gilt: Bewegung ist wichtig. Natürlich solltest du auf deinen Körper hören – wenn eine Sportart Schmerzen verursacht, ist sie nicht ideal. Doch wenn eine Aktivität beschwerdefrei möglich ist, spricht nichts dagegen, sie auszuüben – eine krumme Wirbelsäule ist kein Grund, sich der Bewegung zu verweigern.

Was wäre … wenn Bakterien für Skoliose verantwortlich wären?

Der Ursprung der idiopathischen Skoliose ist unbekannt. Manche Studien zeigen eine familiäre Häufung, was auf eine genetische Komponente hindeutet. Dies ist jedoch bisher nicht bewiesen. Und genau an dieser Stelle kommt das Mikrobiom ins Spiel. Was wäre, wenn das Mikrobiom dafür verantwortlich wäre? Könnte eine Skoliose dann vermieden oder sogar korrigiert werden?

Mit dieser Frage beschäftigen wir uns in dem nächsten Artikel. (JTS)


Quellen und weiterführende Literatur

Weiss HR. The method of Katharina Schroth – history, principles and current development. Scoliosis. 2011 Aug 30;6:17. doi: 10.1186/1748-7161-6-17. PMID: 21878114; PMCID: PMC3180431.

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