Das vaginale Mikrobiom

Zuletzt aktualisiert: Nov 7, 2024 | Körper

Wie die kleinsten Helfer die weibliche Scheide beschützen

In den letzten Jahren ist das Interesse an unserem Mikrobiom gewaltig gewachsen. Nicht nur die Wissenschaft, auch die Allgemeinheit interessiert sich immer mehr für die Auswirkungen, die die kleinsten Lebewesen auf unser Wohlbefinden haben. Dabei wird jedoch oft nur an dem Darm gedacht – was nicht verwunderlich ist, da sich der Großteil unserer kleinen Helfer dort befindet. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass dies nicht der einzige Ort ist, an dem Mikroorganismen von Bedeutung sind. Sondern auch in einem ebenfalls dicht besiedeltem Bereich, indem sich etwa 9% aller Bakterien der Frau befinden – der Vagina.

Dynamische Vaginalflora

Die Scheidenflora, also die Zusammensetzung der Mikroben in der weiblichen Vagina, das sogenannte vaginale Mikrobiom, ist ein dynamisches Konstrukt. Sie ändert sich im Laufe unseres Lebens mehrfach und auch zwischen Personen und insbesondere ethnischen Gruppen kann es große Unterschiede geben. Dennoch ist das Mikrobiom in unserer Vagina stabiler als in anderen Bereichen, wie beispielsweise Mundhöhle, Darm oder dem größten menschlichen Organ, der Haut. 

Dominiert wird unsere Vaginalflora meistens von einer oder mehreren Spezies der Laktobazillen. Diese Milchsäurebakterien sind stäbchenförmige Bakterien, welche die für sie namensgebende Milchsäure produzieren. 

Schutz vor Krankheitserregern durch das vaginale Mikrobiom

Die Bakterien leben meist in einer mutualistischen Beziehung mit den Menschen. Das bedeutet, dass beide Partner einen Nutzen aus dem Zusammenleben ziehen. Im Fall der Laktobazillen geben wir ihnen eine Unterkunft und versorgen sie mit Nährstoffen und sie schützen uns vor krankmachenden Mikroorganismen – den sogenannten Pathogenen. Dazu gehören: Bakterien (wie beispielsweise Neisseria gonorrhoeae – der Auslöser von Gonorrhoe), Viren (z.B. HIV) und Parasiten (z.B. Trichomonas vaginalis).

Doch wie schützen uns die Laktobazillen vor diesen Krankheitserregern?

Zum einen produzieren Laktobazillen Milchsäure indem sie Glucose verstoffwechseln. Dadurch wird der pH – Wert in der Vagina auf etwa 3,5 – 4,5 gesenkt. Dieses saure Milieu stärkt die Schutzflora und verhindert das Wachstum von vielen Krankheitserregern, die ein anderes pH Optimum benötigen.

Zum Anderen produzieren viele Laktobazillen sogenannte Bacteriocine. Bacteriocine sind Proteine, die von Mikroorganismen freigesetzt werden, um das Wachstum von anderen Mikroorganismen zu verhindern. Außerdem erzeugen manchen Laktobazillenarten Wasserstoffperoxid, das ebenfalls eine antimikrobielle und damit positive Wirkung auf die Schutzflora hat.

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Risiken der Dysbiose

Doch was passiert wenn dieses System durcheinander gerät? Fast 30 % der weiblichen US Bevölkerung leidet an einer bakteriellen Vaginose. Dabei sinkt der Anteil der wichtigen Laktobazillen, sodass sich durch die veränderten pH-Bedingungen andere fakultative und anaerobe Mikroorganismen vermehren können. Das Gleichgewicht der Mikrobiota wird gestört. Dies lässt sich normalerweise an Symptomen, wie seltsam riechendem Ausfluss, Brennen beim Urinieren und Juckreiz um und außerhalb der Vagina erkennen. 

Eine bakterielle Vaginose ist dabei mit unterschiedlichen Gefahren verbunden. Zum einen werden die Frauen anfälliger für sexuell übertragbare Erkrankungen, wie zum Beispiel HIV oder Chlamydien. Bei schwangeren Frauen kann das gestörte mikrobielle Gleichgewicht zu einer Frühgeburt oder zu einem geringen Geburtsgewicht führen. Auch gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen einer gestörten Vaginalflora, der sogenannten Dysbiose und Unfruchtbarkeit vermuten lassen. Neben den physischen Problemen leiden betroffene Frauen oft an psychischen Stress, da sie sich für den Geruch schämen und deshalb sexuelle Beziehungen vermeiden. 

Was verursacht die Störung des Gleichgewichts?

Das Ungleichgewicht des vaginalen Mikrobioms kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden. Unbedingt zu vermeiden sind Scheidenspülungen und parfümierte Seifen, da sie die Umweltbedingungen für die guten Mikroorganismen negativ beeinflussen. Aber auch wechselnde Sexualpartner, Rauchen und Intrauterinpessare, sogenannte Spiralen, führen zu einem Ungleichgewicht der Scheidenflora.

Bei einer Erkrankung und konventioneller Behandlung hat die Hälfte der erkrankten Frauen erneut Probleme in den nachfolgenden 12 Monaten. 

Behandlung der bakteriellen Vaginose

Üblicherweise werden bakterielle Vaginosen mit Antibiotika behandelt, die entweder oral eingenommen oder vaginal aufgetragen werden. Diese zeigen aber oftmals keine dauerhafte Wirkung. Der Einsatz von Antibiotika ist jedoch immer ein massiver Eingriff ins Mikrobiom und sollte – nicht nur wegen den zunehmenden Antibiotikaresistenzen – möglichst vermieden werden. 

Daher wird heutzutage verstärkt an Probiotika geforscht, die eine natürliche Vaginalflora unterstützen sollen. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die bei ausreichender Menge dem Wirt einen gesundheitlichen Nutzen versprechen sollen. Folgende probiotische Bakterien werden oftmals einzeln oder als Gemisch eingesetzt: Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus rhamnosus und Lactobacillus gasseri. Es gibt jedoch auch andere Mischungen. 

Sie werden bei einer bakteriellen Vaginose oft begleitend zu einer Antibiotikatherapie angewendet. Aus oben erwähnten Gründen sollte jedoch nur in Ausnahmefällen auf Antibiotika zurückgegriffen werden. Langfristig wird hier mehr Schaden als Nutzen angerichtet! Die Ergebnisse der Probiotikaforschung scheinen vielversprechend und verringern möglicherweise die Gefahr eines Rückfalls. 

Letztere ist meist die Folge der Abnahme der Diversität. Je weniger verschiedene Bakterienpopulationen vorhanden sind, desto anfälliger ist das sensible Gleichgewicht. Bei einer bakteriellen Vaginose kommt es zu einer oft massiven Störung des Verhältnisses der Bakterienpopulationen zueinander. Auch wenn die Populationen im Anschluss wieder etabliert werden, so bleiben Kleinstmengen an schädlichen Bakterien zurück, die bei einer weiteren Störung schneller als zuvor die Oberhand wieder gewinnen können. Daher ist der Rückgang der Symptome nicht zwingend ein Indiz dafür, dass die Krankheit ausgestanden ist.

Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen

Daher gilt auch bei der bakteriellen Vaginose: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Die wohl einfachste Methode zur Vorbeugung ist die oben genannten Risikofaktoren zu verringern, also beispielsweise mit dem Rauchen aufzuhören oder Scheidenspülungen und parfümierte Seifen zu vermeiden. Doch auch die Ernährung scheint einen Einfluss zu haben. Ein Mangel an den Mikronährstoffen Vitamin A, C, E und D, beta-Carotin, Folsäure und Calcium kann zu einer Dysbalance der Mikroorganismen führen.

Kurioserweise wirken sich zwei Ernährungsformen scheinbar positiv auf die Gesundheit des vaginalen Mikrobioms aus,die ansonsten eher nicht mit einer positiven Wirkung auf „gute“ Bakterien verbunden werden. So können eine Ernährung die reich an tierischer Stärke ist, sowie eine Ernährung mit viel Fett und wenig Ballaststoffen prinzipiell die Erhaltung der natürlichen Vaginalflora begünstigen. Entscheidend ist hierbei der Glykogengehalt in der Scheide. Glykogen ist ein Vielfachzucker, der aus mehreren Glukosemolekülen aufgebaut ist. Er dient Mensch und Tier als Energiespeicher. 

Ist der Glykogengehalt in der weiblichen Scheide hoch, so steht den Laktobazillen fortwährend ausreichend Nahrung zur Verfügung, die sie verstoffwechseln und zur Vermehrung nutzen können. Mehr tierische Stärke führt sehr wahrscheinlich direkt zu einer Erhöhung an Glykogen in der Scheide. Fett hingegen führt zu einem höheren Östrogenlevel im Körper. Dieses Hormon ist u.a. dafür verantwortlich, dass freies Glykogen in die Epithelzellen der Vagina, also in die Innenauskeidung der Scheide, transportiert wird. Dadurch steht auch hier den Laktobazillen vermehrt der Zuckerspeicher als Nährstoffquelle zur Verfügung. 

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Auswirkungen der Pille auf die Vaginalflora

Auch die Antibabypille kann einen Einfluss auf das vaginale Mikrobiom haben. In Deutschland nehmen etwa die Hälfte der Frauen die Pille zur Verhütung. Damit ist sie auf Platz 1 der beliebtesten Verhütungsmittel, obwohl es sich hierbei um ein Medikament handelt, das intensiv in den Hormonhaushalt eingreift und massive Nebenwirkungen haben kann. Dazu gehören beispielsweise Migräne, depressive Verstimmungen, verringerte Libido und ein erhöhtes Thromboserisiko. 

Die Pille kann verschiedene Auswirkungen auf die vaginale Mikroflora haben. Ein potenziell positiver Effekt ist die östrogeninduzierte Ansammlung von Glykogen in der Scheide und daraus folgend die Unterstützung des Wachstums von Laktobazillen. 

Auf der anderen Seite kann auch das Wachstum von Candida albicans gefördert werden. Dieser Hefepilz kommt bei der Mehrheit aller Menschen vor und ist in geringer Anzahl normalerweise harmlos. Unter Anderem wird er durch die Laktobazillen und das menschliche Immunsystem unter Kontrolle gehalten. Es kann jedoch unter Umständen zu einem vermehrten Wachstum von Candida albicans und damit zu einer Vaginalkandidose kommen. Die Ursachen hierfür können neben einem geschwächten Immunsystem auch die Einnahme der Antibabypille sein. Durch die von der Antibabypille erhöhte Glykogenmenge erhalten auch die zuckerliebenden Hefepilze vermehrt Nahrung. Auch wird die Anhaftung der Pilze in der Vagina durch die Einnahme des Medikaments gefördert. Zusätzlich scheint sich dabei auch der natürliche Schutz des Immunsystems der Vagina gegen Hefepilze zu verschlechtern. Unter Umständen kann die Einnahme damit zwar eine bakterielle Vaginose verhindern, dafür aber die Vaginalkandidose fördern.

Die Vaginalflora sollte geschützt werden

Eine diverse Vaginalflora ist ein hocheffektiver Schutz gegen krankmachende Bakterien. Das Gleichgewicht darf jedochnicht zerstört werden. Eine De-Stabilisierung macht die Frauen anfällig für sexuell übertragbare Krankheiten und kann im schlimmsten Fall bis zur Unfruchtbarkeit führen. Es ist notwendig Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen und den natürlichen Zustand des vaginalen Mikrobiom nicht zu gefährden, sondern mit den richtigen Mikronährstoffen zu unterstützen. Auch Probiotika können unter Umständen dabei behilflich sein. (LS)

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Quellen: 

Bagnall P, Rizzolo D. Bacterial vaginosis: A practical review. JAAPA. 2017 Dec;30(12):15-21. doi: 10.1097/01.JAA.0000526770.60197.fa. PMID: 29135564.

García-Velasco JA, Menabrito M, Catalán IB. What fertility specialists should know about the vaginal microbiome: a review. Reprod Biomed Online. 2017 Jul;35(1):103-112. doi: 10.1016/j.rbmo.2017.04.005. Epub 2017 Apr 19. PMID: 28479120.

Gonçalves B, Ferreira C, Alves CT, Henriques M, Azeredo J, Silva S. Vulvovaginal candidiasis: Epidemiology, microbiology and risk factors. Crit Rev Microbiol. 2016 Nov;42(6):905-27. doi: 10.3109/1040841X.2015.1091805. Epub 2015 Dec 21. PMID: 26690853.

Saraf VS, Sheikh SA, Ahmad A, Gillevet PM, Bokhari H, Javed S. Vaginal microbiome: normalcy vs dysbiosis. Arch Microbiol. 2021 Sep;203(7):3793-3802. doi: 10.1007/s00203-021-02414-3. Epub 2021 Jun 13. PMID: 34120200.

Bild Header: Jiri Snaidr


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