Wenn Stress den Darm regiert

Zuletzt aktualisiert: Okt. 12, 2024 | Körper

Zufriedenheit durch Darmgesundheit

Jeder kennt ihn: den Stress. Kinder, Arbeit, Haushalt – eigentlich müsste man die alten Freundschaften mal wieder pflegen oder sollte man lieber mal wieder die Eltern besuchen? Die Liste an noch zu erledigenden Aufgaben wird immer länger, und die kleine rote Zahl auf dem Handy, die angibt, wie viele Nachrichten man noch nicht beantwortet hat, wird ebenfalls immer höher. Der letzte entspannte Tag? – Der ist schon lange her. So richtig kann man sich eigentlich gar nicht mehr daran erinnern. Aber wie wirkt sich dieser Stress eigentlich auf unsere mentale Gesundheit aus?

Stress als Gestalter unserer Emotionen

Haben wir Stress, hat das Auswirkungen auf unser Verhalten – das kennen wir alle. Die Arbeit war anstrengend, wir kommen nach Hause, und plötzlich erscheint uns selbst das Atmen des Partners zu laut. Schnell ist es um unseren Geduldsfaden geschehen. Doch Stress bewirkt nicht nur, dass unsere Geduld rapide abnimmt, er spielt auch bei depressiven und ängstlichen Verstimmungen eine große Rolle. Ein Grund dafür sind unter anderem unsere kleinen Mitbewohner: die Darmbakterien.

Bei dauerhaftem Stress verändert sich die Zusammensetzung unserer Darmbakterien, zudem wird unsere Darmwand durchlässiger. Dies ermöglicht Lipopolysacchariden (LPS), die normalerweise auf der Außenseite einer Bakterienzelle sitzen, in unser Blut zu gelangen. Das wiederum alarmiert unser Immunsystem, welches seine Abwehrmechanismen startet und somit eine Entzündungsreaktion hervorruft. Eine anhaltende Entzündung ist, neben anderen negativen Folgen, mit depressiven und ängstlichen Verhalten verbunden. So führt Stress letztendlich über eine Veränderung unseres Darms dazu, dass sich unsere Gefühlswelt verändert.

Der eigene Umgang mit Stress

Eine Möglichkeit, diese negative Kettenreaktion zu unterbrechen, besteht darin, den eigenen Umgang mit Stress zu verbessern. Vielleicht kommt dir die Situation bekannt vor: Du fühlst dich vom Stress überwältigt, kämpfst darum, den Kopf über Wasser zu halten, während dein Partner seinen vollen Alltag scheinbar mit Leichtigkeit meistert und es dabei auch noch schafft regelmäßig zum Sport zu gehen.

Der Unterschied kommt oft daher, dass viele Menschen nicht effektiv mit Stress umgehen können. Aber die gute Nachricht: Man kann es lernen! Dafür eigenen sich ganz hervorragend Achtsamkeitsübungen.

Achtsamkeit: Ein Anker im stressigen Alltag

Vielleicht ist dir schon einmal aufgefallen, dass selten die Tätigkeit, der du gerade nachgehst, direkten Stress verursacht. Häufig sind es vielmehr die Gedanken an das, was noch alles erledigt werden muss, die uns in Anspannung versetzen. Während wir eine Aufgabe meistern, wächst in unseren Gedanken die Liste der noch ausstehenden Aufgaben unaufhörlich an.

Achtsamkeitsübungen zielen darauf ab, im Hier und Jetzt zu verweilen und sich nicht von der Flut der Gedanken forttragen zu lassen. Es geht dabei nicht darum, diese Gedanken zu verdrängen. Vielmehr soll man ihnen nicht mehr die Aufmerksamkeit schenken, die sie benötigen, um dich in den Sog des Stresses zu ziehen.

Eine hervorragende Übung, um mit dem Achtsamkeitstraining zu beginnen, ist der sogenannte Body-Scan. Dabei richtest du deine Aufmerksamkeit achtsam auf jeden Teil deines Körpers. Du beginnst damit, dich auf den Scheitel deines Kopfes zu konzentrieren, bevor deine Aufmerksamkeit dann weiter zu deiner Stirn, deinen Augenbrauen, dem Punkt zwischen deinen Augenbrauen und so weiter wandert, bis zum kleinen Zeh. Solltest du dabei in Gedanken abschweifen, ist das kein Problem. Du wirst feststellen, dass dies gerade am Anfang häufiger passiert, als du vielleicht annimmst. Kehre dann einfach mit deiner Aufmerksamkeit zurück zu dem Körperteil, bei dem du zuletzt warst. Mit der Zeit wirst du bemerken, dass du auch im Alltag, wenn deine Gedanken abschweifen, es immer schneller bemerken wirst und sie immer leichter ins Jetzt zurückholen kannst.

Probiotika: Kleine Helfer gegen große Belastungen

Eine weitere Strategie, um den Körper und das seelische Wohlbefinden vor den Auswirkungen chronischen Stresses zu schützen, besteht darin, das Darmmikrobiom zu unterstützen. Eine Möglichkeit hierzu ist die Einnahme von Probiotika – lebenden Mikroorganismen, die, in ausreichender Menge konsumiert, positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Insbesondere die Einnahme bestimmter Laktobazillen, wie L. farciminis, L. rhamnosus und L. helveticus, hat in Tierversuchen gezeigt, dass sie die durch chronischen Stress verursachte erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand verringern können. Da eine durchlässigere Darmwand Entzündungen fördert, die wiederum mit depressiven Verstimmungen in Verbindung gebracht werden, kann eine Stärkung der Darmbarriere auch zum Schutz unserer emotionellen Resilienz beitragen. Besonders die Einnahme von L. farciminis hat bei Ratten die bemerkenswerte Fähigkeit gezeigt, nicht nur die Darmwand zu stärken, sondern auch die Stressreaktionen im Körper zu verringern.

Stressbewältigung durch Darmgesundheit und Achtsamkeit

Stress hat zahlreiche negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Unter anderem fördert er Niedergeschlagenheit, indem er die Darmwand durchlässiger macht und dadurch Entzündungen fördert, die wiederum mit depressiven und ängstlichen Verhaltensweisen in Verbindung gebracht werden. Um diesen negativen Kreislauf zu durchbrechen, gibt es verschiedene Ansätze: Einerseits kann das Beginnen eines Achtsamkeitstrainings die persönliche Resilienz gegenüber Stress erhöhen. Andererseits kann die Förderung des Darmmikrobioms durch die Einnahme von Probiotika dabei helfen, Entzündungsreaktionen zu verhindern. (LS)

Weiterführende Literatur:

Cryan JF, Dinan TG. Mind-altering microorganisms: the impact of the gut microbiota on brain and behaviour. Nat Rev Neurosci. 2012 Oct;13(10):701-12. doi: 10.1038/nrn3346.

Zareie M, Johnson-Henry K, Jury J, Yang PC, Ngan BY, McKay DM, Soderholm JD, Perdue MH, Sherman PM. Probiotics prevent bacterial translocation and improve intestinal barrier function in rats following chronic psychological stress. Gut. 2006 Nov;55(11):1553-60. doi: 10.1136/gut.2005.080739.

Ait-Belgnaoui A, Durand H, Cartier C, Chaumaz G, Eutamene H, Ferrier L, Houdeau E, Fioramonti J, Bueno L, Theodorou V. Prevention of gut leakiness by a probiotic treatment leads to attenuated HPA response to an acute psychological stress in rats. Psychoneuroendocrinology. 2012 Nov;37(11):1885-95. doi: 10.1016/j.psyneuen.2012.03.024.

Bild Mittelteil: Oleg Breslavtsev – stock.adobe.com

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