Wie Sport uns vor Krankheiten schützt
In einer deutschlandweiten Umfrage gaben etwa 45 % der Befragten an, selten oder nie Sport zu treiben. Dabei ist uns nur allzu bewusst, dass körperliche Aktivität für unsere Gesundheit eigentlich unerlässlich ist. Wir wissen, Sport stärkt unser Herz-Kreislauf-System, sowie unser Immunsystem. Er schützt uns vor Knochenbrüchen, reduziert gefährliches Viszeralfett und bringt zahlreiche weitere Vorteile mit sich. Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt im Körper, der von regelmäßiger Bewegung profitiert und es uns dankend zurückgibt: Unser Darm-Mikrobiom!
Sport gegen Krebsrisiken
Die schützende Wirkung von Sport vor Krankheiten zeigt sich beispielsweise in den Risikozahlen für kolorektales Karzinom, auch bekannt als Darmkrebs. Aktive Menschen weisen ein um 24 % geringeres Risiko auf daran zu erkranken. Obwohl der genaue Mechanismus dahinter nicht vollständig verstanden ist, scheinen unsere Darmbakterien dabei eine Rolle spielen. Dafür spricht, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms bei erkrankten Personen sich von der bei Gesunden unterscheidet. Um zu verstehen, wie das mit Sport zusammenhängt, werfen wir zunächst einen allgemeinen Blick auf die Beziehung zwischen Bewegung und unseren Bakterien.
Sport verändert unser Darmmikrobiom
Das erklärte Ziel vieler Forscher ist es, das Darmmikrobiom und damit unsere Gesundheit zu beeinflussen. Der wohl größte und wichtigste Faktor dafür ist unsere Ernährung – doch bei Weitem nicht der einzige. Auch Sport hat eine Auswirkung darauf, wie sich unser Mikrobiom zusammensetzt.
Sportler wie z.B. Marathonläufer haben im Vergleich zu Menschen, die nur wenig oder keinen Sport betreiben, eine diverseres Mikrobiom. Insbesondere verfügen Sportler über mehr Arten, die sogenannte „kurzkettige Fettsäuren“ produzieren. Dabei werden Ballaststoffe, die unser Körper allein nicht verdauen kann, zerkleinert und so für unseren Organismus zugänglich machen. Diese kurzkettigen Fettsäuren sind äußerst wertvoll, da sie nicht nur unsere Körper- und Gehirnzellen mit Energie versorgen, sondern neben anderen Funktionen auch eine entzündungshemmende Wirkung besitzen.
Bakterien können uns vor Darmkrebs schützen
Der schützende Effekt von Sport vor Darmkrebs könnte mit einer erhöhten Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere Butyrat, in Verbindung stehen. Durch regelmäßige körperliche Betätigung steigt der Anteil von Bakterienarten, die Butyrat produzieren. Im Gegensatz dazu zeigen Studien, dass Darmkrebspatienten eine niedrigere Konzentration an Butyrat-produzierenden Bakterienarten besitzen.
Gesunde Epithelzellen, d.h. Körperzellen welche sich im Darm befinden, reagieren in in vitro Studien auf Butyrat anders als kranke Tumor-Epithelzellen. Bei gesunden Zellen wird Butyrat weiterverarbeitet und führt zu einem Anschalten von Genen, welche das Zellwachstum fördern. Dies resultiert in einer starken Darmwand, die unseren Körper vor gefährlichen Stoffen aus der Nahrung schützt. Tumorzellen hingegen können Butyrat nicht abbauen, sammeln es im Inneren der Zelle und hemmen dadurch das Zellwachstums. Die Zelle stirbt, der Tumor schrumpft.
Mäuse die besonders anfällig für diese Art von Krebs sind, entwickelten durch regelmäßige Sportübungen kleinere Tumore und es wurde eine Korrelation zwischen ihrer Butyrat-Konzentration und der Anzahl der Tumore festgestellt.
Trotz vielversprechender Ergebnisse in Experimenten sollte beachtet werden, dass Labordaten nicht immer direkt auf den Menschen übertragbar sind. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass Sport und die daraus resultierenden Veränderungen im Darmmikrobiom eine schützende Wirkung gegen Darmkrebs haben.
Schutz für Nervenzellen
Einer der wichtigsten Botenstoffe in unserem Gehirn ist der sogenannte Wachstumsfaktor „Brain-derived neurotrophic factor“ (BDNF), der unsere Nervenzellen vor dem Absterben schützt. In Experimenten mit Mäusen führte ein Mangel an BDNF zu einem Absterben der Nervenzellen im Gehirn. Interessanterweise besteht ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen BDNF-Gehalt und Angststörungen sowie Depressionen, oft in Verbindung mit entzündlichen Darmerkrankungen.
Dass der BNDF-Gehalt mit unseren Bakterien zusammenhängt, zeigt sich in keimfreien Mäuse, die niemals mit Bakterien in Kontakt gekommen sind. Diese Mäuse wiesen, im Vergleich zu nicht-keimfreien Tieren, eine geringere BDNF-Konzentration in Gehirnregionen wie dem Hippocampus und Teilen des Cortex auf. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Bifidobakterien zu einer Steigerung des BDNF-Gehalts führt.
Auch Versuche mit Ferkel zeigten, dass Bewegung zu einem höheren Anteil an Bifidobakterien führte. Eliminierung derselben durch Antibiotika führte zu verzögerten Zellwachstum im Hippocampus. Diese Verzögerung konnte wiederum durch die Zugabe von Bifidobakterien als auch durch Bewegungstraining behoben werden.
Dies zeigt, dass körperliche Aktivität das Mikrobiom verändert und dadurch unser Gehirn und unsere mentale Verfassung positiv beeinflusst.
Ganzheitliche Gesundheit durch Sport
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Bewegung, Darmbakterien und unserer Gesundheit. Eine gesamtheitliche Sichtweise ist essenziell. Sport unterstützt unseren Körper in dem komplexen Zusammenspiel aus Bakterien und Körperzellen und schützt uns dadurch vor Krankheiten. (LS)
Weiterführende Literatur:
Mailing LJ, Allen JM, Buford TW, Fields CJ, Woods JA. Exercise and the Gut Microbiome: A Review of the Evidence, Potential Mechanisms, and Implications for Human Health. Exerc Sport Sci Rev. 2019 Apr;47(2):75-85. doi: 10.1249/JES.0000000000000183.
Dalton A, Mermier C, Zuhl M. Exercise influence on the microbiome-gut-brain axis. Gut Microbes. 2019;10(5):555-568. doi: 10.1080/19490976.2018.1562268.
Clauss M, Gérard P, Mosca A, Leclerc M. Interplay Between Exercise and Gut Microbiome in the Context of Human Health and Performance. Front Nutr. 2021 Jun 10;8:637010. doi: 10.3389/fnut.2021.637010.