Sonnenallianz

Zuletzt aktualisiert: Aug. 28, 2025 | Perspektivenwechsel

Licht. Haut. Mikrobiom.

In unserer heutigen Zeit wird das Sonnenlicht zunehmend verteufelt. Obwohl wir intuitiv spüren, wie wohltuend die Sonne für uns ist, sei es beim ausgedehnten Spaziergang im Park in der wärmenden Nachmittagssonne oder beim Segelausflug auf dem See, haben die ständigen Alarmmeldungen von Medien und Hautärzten über Ozonloch und Hautkrebs eine tief verwurzelte Ablehnung gegenüber Sonnenstrahlen geschaffen. Dabei hat die Sonne äußerst wichtige Auswirkungen auf uns, ohne die unser Überleben unmöglich wäre.

Seit die Kernfusion unsere Sonne vor etwa 4,57 Milliarden Jahren entfachte, gilt sie als die „Mutter aller Lebewesen“. Ohne sie gäbe es keine Mikroorganismen, keine Pflanzen und schon gar keine Menschen auf der Welt. Sie ist der Grund, warum das komplexe Zusammenspiel des natürlichen Kreislaufs funktioniert, und sie entscheidet über Leben und Tod.

Ein Beispiel sind die Dinosaurier: Als wahrscheinlichste These für deren Aussterben gilt der Einschlag eines gigantischen Asteroiden, der eine Energiemenge freisetzte, die zehn Milliarden Atombomben entspricht. Das durch Staub und Aerosole blockierte Sonnenlicht verursachte starke Abkühlungen, führte zum Zusammenbruch der Photosynthese und resultierte in einem massiven Nahrungsmangel, der das Aussterben der Dinosaurier bewirkte.

Ein massiver Asteroid löscht die Dinosaurier aus

Licht und Kohlendioxid sind essenziell

Diese externe Abhängigkeit vom Sonnenlicht ist uns durchaus bewusst. Wir benötigen den Sauerstoff, der bei der Photosynthese unter dem Einfluss von Licht produziert wird, und der entstehende Zucker ist die Grundlage der Energie‑ und Bausteinversorgung.

Das dazu benötigte Kohlendioxid ist kein toxischer Stoff, sondern ermöglicht erst die Reaktion, die die Grundlage des Lebens ist und ohne die die für uns essenzielle Nahrungskette nicht funktionieren würde.

Sonne gegen Krebs

Weniger bekannt ist uns jedoch die unmittelbare Auswirkung der Sonnenstrahlen auf den Menschen. Zwar ist die lichtabhängige Vitamin‑D‑Synthese den meisten vertraut, da in vielen Ländern ein Mangel besteht und eine Supplementierung notwendig ist. Doch dass Sonnenlicht viele Krebsarten verhindert, ist vielen noch neu.

Sonnenstrahlen haben vielfältige positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit

Tatsächlich zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass eine regelmäßige Sonnenexposition mit einem geringeren Risiko für bestimmte innere Tumorerkrankungen wie Darm‑, Brust‑, Prostata‑ und Pankreaskrebs assoziiert ist. Sonnenstrahlen helfen aber nicht nur, tödlichen Krebs zu vermeiden, sondern senken auch das Risiko für Herz‑Kreislauf‑ und Stoffwechselerkrankungen wie Bluthochdruck, Adipositas und Typ‑2‑Diabetes. All diese Krankheiten gelten als typische Zivilisationskrankheiten. Doch damit nicht genug: Auch Multiple Sklerose und Alzheimer‑Demenz scheinen bei ausreichender Sonnenbestrahlung seltener aufzutreten, ganz zu schweigen von vielen psychischen Störungen.

Dies hängt nicht nur mit den Effekten einer ausreichenden Vitamin‑D‑Versorgung zusammen, sondern auch mit den Auswirkungen auf unser Immunsystem und die Energiekraftwerke in unseren Zellen, die Mitochondrien.

Sonnenstrahlen geben Energie

Der energiereiche Effekt, den du bei Sonnenbestrahlung spürst, hat zwei wesentliche Ursachen. Erstens wird in den Zellen, in die Licht gelangt, mehr ATP, also mehr Energie, erzeugt. Das betrifft vor allem die Haut und die oberflächliche Muskulatur. Zweitens hilft Sonnenlicht über die Netzhaut, die innere Uhr zu regeln.

Sonnenbestrahlung nach dem Aufstehen hilft, die Müdigkeit schneller zu überwinden

Die Bildung des Schlafhormons Melatonin wird unterdrückt, und die Cortisol‑Dynamik verändert sich. Insgesamt werden wir dadurch wacher, sind aufmerksamer und haben subjektiv mehr Energie.

Wie wirkt sich die Sonne auf das Hautmikrobiom aus?

Eindeutig nachweisbar ist ein direkter Effekt der Sonne auf das Hautmikrobiom. Gesunde Urlauber, die kurzfristig einer hohen Strahlung ausgesetzt waren, weisen nach ihrer Rückkehr eine veränderte Hautbesiedlung mit Mikroorganismen auf, die sich jedoch bereits nach einem Monat wieder normalisiert. Während der erhöhten Bestrahlung setzen sich vor allem Mikroorganismen durch, die eine erhöhte UV‑Resistenz aufweisen.

Sonne, Mikrobiom und das Immunsystem

Spannend ist folgender Sachverhalt, der sich bei Experimenten mit Mäusen zeigte: Sonnenlicht hat auf jeden Organismus, ob Maus oder Mensch, eine immunsuppressive Wirkung. Das bedeutet, dass die Immunantwort für eine gewisse Zeit heruntergefahren wird – sozusagen ein Bremseffekt. Das Immunsystem reagiert schwächer und langsamer auf Eindringlinge oder auch auf Abnormitäten wie z. B. entstehende Krebszellen. In unserem Körper gibt es fast ständig Mutationen in unseren Zellen. Diese entstehen, wenn die kontinuierlich auftretenden DNA‑Schädigungen fehlerhaft repariert und damit auf der DNA „eingebrannt“ werden.

DNA Mutation

Diese sogenannten somatischen Mutationen werden vom Immunsystem dauerhaft überwacht und weitestgehend in Schach gehalten. Täglich entstehen etwa 300 Milliarden Zellen, hauptsächlich im Blut und in der Darmwand. Bei einem großen Teil aller Zellteilungen (typischerweise > 70 %) entstehen eine oder mehrere somatische Mutationen.

Täglich bildet der Körper 300 Millarden neue Zellen

Die meisten sind neutral und bleiben folgenlos. Klonales Wachstum wird durch Reperatur- und Kontrollmechanismen begrenzt. Das Immunsystem spielt eine wichtige Rolle, kann aber auch nicht routinemäßig alle mutierten Zellen eliminieren. Trotzdem kann Krebs nur dann entstehen, wenn die Zellen dem Immunsystem entwischt sind, mehrere besondere Mutationen tragen und eine Vervielfältigung erfolgen kann.

Wird nun die Haut mit Sonne bestrahlt, so erfolgt immer auch eine Schädigung der DNA in den Hautzellen. Das ist ein ganz normaler Vorgang, für den Körper nichts Aufregendes, und die DNA wird schnell von den Zellsystemen wieder repariert. Gleichzeitig wird aber das Immunsystem etwas abgeschwächt, damit es nicht zu Entzündungen oder Juckreiz kommt.

Diese “Bremswirkung” ist nicht nur auf der Haut relevant, sondern im ganzen Körper messbar. Dies führt aber auch dazu, dass die Krebs- und Virenüberwachung im Körper abnimmt und damit das Krebsrisiko oder ein Erkrankungsrisiko steigt.

Ein Großteil der Zellen im menschlichen Körper besitzen Mutationen

Das betrifft in erster Linie die UV-B-Strahlung, die stärker als die UV-A-Strahlung ist und vor allem an der Hautoberfläche wirkt. Die schwächere UV-A-Strahlung dringt hingegen tiefer in den Körper ein und verursacht dort oxidativen Stress.

Sonne meiden? Nein!

Daraus den Kehrschluss zu ziehen und die Sonne zu meiden, um das Hautkrebsrisiko zu senken, wäre aufgrund der vielen positiven Effekte der Sonne absolut falsch. Denn wir haben Wächter auf unserer Haut, die uns wahrscheinlich beschützen: das Hautmikrobiom. Tiermodelle zeigen, dass die Bakterien schädliche Substanzen, die nach Sonneneinstrahlung eine Immununterdrückung bewirken, abbauen können und damit den Effekt der Immunsuppression vermeiden.

Was bedeutet das letztendlich?

Die Sonne erhöht die Schäden in der DNA der Hautzellen, die aber meist durch Reparaturmechanismen behoben werden. Ebenfalls schwächt sie das Immunsystem und steigert das Risiko, dass entartete Zellen mit mehreren unreparierten DNA-Schäden, sogenannte Mutationen, nicht erkannt und entfernt werden. Diese Zellen haben das Potenzial, sich zu Krebszellen zu entwickeln.

Ein gesundes Hautmikrobiom unterstützt dein Immunsystem

Dennoch: Wer die Sonne meidet, schneidet sich von ihren stärksten Heilkräften ab und schwächt seine Gesundheit. Ein gesundes Hautmikrobiom kann die Substanzen, die durch die Sonne auf der Haut entstehen und das Immunsystem schwächen, wahrscheinlich abbauen, wodurch geschädigte Zellen von der Immunabwehr besser erkannt und eliminiert werden.

Die Sonne beeinflusst unseren Körper sowohl positiv als auch negativ. Die Bakterien bieten uns jedoch einen faszinierenden Schutzmechanismus, der es uns ermöglicht, vor allen von den positiven Eigenschaften der Sonnenstrahlen zu profitieren, während die negativen Auswirkungen abgeschwächt oder gar eliminiert werden.

Sonne, Mikrobiom und Diversität

Aber es gibt noch mehr Wechselwirkungen zwischen Sonne und Hautmikrobiom. So scheint die Sonne die Diversität des Hautmikrobioms zu erhöhen.

Je höher die Vielfalt, desto stärker ist die Hautbarriere. Zum Beispiel nimmt bei Neurodermitis die Vielfalt der Hautbakterien stark ab, sodass sich einzelne Keime wie Staphylococcus aureus verstärkt durchsetzen können. Diesem Effekt wirkt die Sonne durch die Erhöhung der Diversität entgegen.

Zusätzlich wirkt die Sonne auch direkt auf schädliche Bakterien. So wird Neurodermitis oder auch Akne mit Lichttherapie behandelt. Wir haben also einen Doppeleffekt: Zum einen werden hautfreundliche Bakterien gefördert und zum anderen pathogene Keime reduziert. Eine regelmäßige, aber vernünftige Sonnenexposition – unter Vermeidung von Sonnenbrand – kann so zur Balance und auch zur Wiederherstellung der normalen und gesunden Hautflora beitragen.

Die Sonne unterstützt die Diversität des Mikrobioms

Interessanterweise zeigen Studien, dass künstliche Bestrahlung von Haut bei Menschen mit UV-B nicht nur das Hautmikrobiom günstig verändern kann, sondern diese Wirkung sogar tief bis in das Darmmikrobiom reicht. Vermutlich wird die Erhöhung der Diversität des Darmmikrobioms durch einen Anstieg des Vitamin-D-Spiegels getriggert, denn diese Effekte traten vor allem bei Personen mit anfänglich niedrigem Vitamin-D-Spiegel auf.

Sonnenschutzmittel und Mikrobiom

Aufgrund der positiven Eigenschaften der Sonne wird deutlich, dass Sonnenschutzmittel vermieden werden sollten, solange die Sonnenstrahlen keinen Sonnenbrand verursachen. Denn Sonnenschutzmittel schränken nahezu vollständig die positiven Effekte des Sonnenlichts ein. Aber sie gehen jedoch noch weiter in ihren negativen Eigenschaften: Sie beeinflussen das Hautmikrobiom, indem sie die Vorteile der Mikroorganismen blockieren.

Außerdem enthalten sie antimikrobielle Stoffe, die das Hautmikrobiom schädigen können. Es gibt zwar “mikrobiomfreundliche“ Sonnencreme-Formulierungen, doch der sicherste Weg ist, auf Sonnencremes zu verzichten und trotzdem einen Sonnenbrand zu vermeiden.

Tipps für den Umgang mit der Sonne

1. Keine Angst vor der Sonne!

Die Sonne zu meiden, ist das Schlechteste, was Du Deinem Körper antun kann.

2. Vermeide Sonnenbrand.

Sonnenbrand ist immer ein aggressiver Angriff auf den Körper, sowohl auf Deine Zellen als auch auf Dein Hautmikrobiom.

3. Sonnenexposition möglichst ungeschützt.

Vermeide Sonnencremes oder anderen Schutz, wenn du sicherstellen kannst, dass du keinen Sonnenbrand bekommst. Der Sonnenbrand kommt nicht so schnell, wie du denkst. Es gibt Apps, die dir die UV-Strahlung anzeigen und eine sichere Aufenthaltszeit ohne zusätzlichen Schutz berechnen.

Dies bedeutet auch, dass je mehr Hautfläche mit der Sonne in Berührung kommt, desto höhere positive Effekte hast du. Wenn du bekleidet in der Sonne stehst, wird deine Vitamin-D-Produktion nicht angeregt.

Nacktsein ist kein Verbrechen, sondern gut für deine Gesundheit.

Trau dich auch mal, nackt in der Sonne spazieren zu gehen, und lasse dich nicht zu sehr von unseren heutigen, überaus prüden gesellschaftlichen Normen beeinflussen.

4. Vermeide Sonnencremes

Wenn möglich, vermeide das Eincremen mit einer Sonnencreme und die damit verbundenen negativen Wirkungen. Auf Sonnencremes und ihre Auswirkungen auf deine Gesundheit werden wir noch in einem separaten Artikel eingehen. Natürlich ist klar, dass es nicht gut ist, wenn du stundenlang am Strand ohne Schutz herumläufst. Suche rechtzeitig den Schatten, vermeide extreme Sonneneinstrahlung und schütze unbedingt die Haut, bevor sie verbrannt wird.

Grundsätzlich gilt: So viel Sonne wie möglich, aber ohne einen Sonnenbrand.





Mehr dazu im Podcast: Hintergründe und Details zu diesem Beitrag

Weiterführende Literatur und Quellenverzeichnis:

Cadet, J. & Douki, T. (2011). Oxidatively generated damage to DNA by UVA radiation in cells and human skin. Photochemical & Photobiological Sciences.

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Geldenhuys, S. et al. (2014). Ultraviolet radiation suppresses obesity and symptoms of metabolic syndrome independently of vitamin D in mice. Diabetes.

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