Mehr Energie aus Ballaststoffen

Zuletzt aktualisiert: Okt. 31, 2025

Mehr Energie aus Ballaststoffen

Nicht jeder Mensch gewinnt gleich viel Energie aus seiner Nahrung. Eine neue Studie zeigt: Wer ein methanbildendes Darmmikrobiom besitzt, kann aus Ballaststoffen mehr Energie herausholen. Methanogene Archaeen verändern die Gärungsprozesse im Darm so, dass mehr kurzkettige Fettsäuren entstehen – ein versteckter Energieschub durch Mikroorganismen.

Forscher der Arizona State University analysierten 17 Probanden in einer streng kontrollierten Ernährungsstudie.

Was wurde in der Studie gemacht?

Jeder erhielt zwei Diäten: eine ballaststoffarme „Western Diet“ und eine ballaststoffreiche „Microbiome-Enhancer Diet“. Dabei wurden Energieaufnahme, Ausscheidung, Darmgase und das Mikrobiom umfassend gemessen, inklusive kontinuierlicher Methan-Überwachung im Ganzraum-Kalorimeter.

Was kam heraus?

Etwa die Hälfte der Teilnehmer besaß Methanogene, vor allem Methanobrevibacter smithii. Diese Gruppe hatte deutlich höhere Methan- und Propionat-Werte im Serum – obwohl die Menge an Fettsäuren im Stuhl gleich blieb. Gene und Transkripte des propionatbildenden Succinat-Wegs waren hochreguliert, was auf eine verstärkte mikrobielle Energieproduktion hindeutet.

Bemerkenswert: Der Effekt zeigte sich nur unter der ballaststoffreichen Kost. Bei einer typischen westlichen Ernährung verschwand der Unterschied.

Wie wirken sich Methanogene im Darm aus?

Beim mikrobiellen Abbau von Ballaststoffen entsteht Wasserstoff (H₂) als Nebenprodukt der Fermentation.

Hoher H₂-Partialdruck bremst die Fermentationsprozesse, weil viele Bakterien dann ihr NAD⁺ nicht regenerieren können. Sie „ersticken“ quasi an ihren eigenen Elektronen.

Methanogene (Methanobrevibacter smithii) nutzen genau diesen H₂, um Methan (CH₄) zu bilden:

4 H₂ + CO₂ → CH₄ + 2 H₂O

Das senkt den H₂-Partialdruck im Darm und macht die Fermentation thermodynamisch günstiger und die übrigen Bakterien können dadurch weiter fermentieren und mehr Substrate (Ballaststoffe) umsetzen.

Durch diesen H₂-Verbrauch entsteht ein ökologischer Vorteil:

  • Faserabbauer (z. B. Bacteroides, Roseburia, Prevotella) bauen komplexe Kohlenhydrate zu Zuckern ab.
  • Fermenter wandeln diese in kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) um.
  • Methanogene halten den Prozess am Laufen, indem sie überschüssigen H₂ eliminieren.

Das Ganze funktioniert wie eine Produktionskette: Faser → Zucker → SCFAs + H₂ → CH₄

Und weil die Methanogenen den „Abgasdruck“ senken, kann die Produktion weiterlaufen.

Das führt zu mehr SCFAs, insbesondere Propionat, das vom Menschen genutzt werden kann.

Was bedeutet das für deine Gesundheit?

Methanogenese ist kein Abfallprodukt, sondern Teil eines hoch­effizienten mikrobiellen Netzwerks. In Kombination mit Faser­abbauern (Bacteroides, Bifidobacterium, Prevotella) und Propionat-Produzenten (Odoribacter, Phascolarctobacterium) entsteht ein Konsortium, das Wasserstoff abbaut, die Fermentation thermodynamisch begünstigt und so mehr kurzkettige Fettsäuren bereitstellt.

Das Resultat: höhere „metabolisierbare Energie“ für den Wirt, sozusagen ein mikrobieller Energieschub, der aber nur funktioniert, wenn genügend Ballaststoffe vorhanden sind.

Ein Wegweiser für eine personalisierte Medizin

Ernährung & Diätetik

Mikrobiomanalyse könnte helfen zu entscheiden, ob eine ballaststoffreiche Diät tatsächlich sinnvoll ist oder eher zu Gewichtszunahme führt. Ebenso könnten gezielt bestimmte Ballaststoffmischungen ausgewählt werden, denn nicht jeder profitiert von denselben Fasern. Manche fördern Methanogenese stärker, andere kaum.

Probiotische / Mikrobiom-Modulatoren

Methanogene könnten als therapeutische Zielgröße gewählt werden:

a) Fördern bei Unterernährung, Kachexie, Malabsorption oder Frühgeborenen.

b) Dämpfen bei metabolischem Syndrom oder Adipositas

c) Entwickeln von neuen Präbiotika-Strategien: Fasern, die gezielt methanogen-assoziierte Bakterien (z. B. Prevotella copri, Roseburia faecis) aktivieren.

Methanogen aktive und inaktive Mikrobiome

Ein methanogen aktives Mikrobiom ist nicht automatisch besser oder schlechter, sondern funktioniert einfach anders. Es steht für einen „energieeffizienten“ Stoffwechsel: Ballaststoffe werden stärker fermentiert, mehr Propionat gelangt ins Blut, und der Körper gewinnt mehr Energie aus derselben Nahrung. Das ist vorteilhaft, wenn Energie gebraucht wird – etwa bei Untergewicht, Mangelernährung, chronischer Krankheit oder in der Rekonvaleszenz. In diesen Fällen kann ein methanogen aktives Mikrobiom helfen, Nährstoffe besser zu nutzen.

Bei Menschen mit Energieüberschuss oder Neigung zu Gewichtszunahme kann diese Effizienz jedoch nachteilig sein. Dieselbe Menge Ballaststoffe liefert mehr verwertbare Kalorien, und die als „gesund“ empfundene faserreiche Kost kann unbemerkt zur Energieaufnahme beitragen.

Umgekehrt bedeutet ein methanogen inaktives Mikrobiom keine Schwäche, sondern einen „energiearmen“ Fermentationstyp: weniger Energiegewinn aus Ballaststoffen, dafür oft mehr Sättigung und potenziell günstigere Stoffwechselprofile bei Übergewicht.

Kalorien“ sind also keine feste Größe. Sie sind mikrobiomabhängig

Quelle:

Dirks B et al., Methanogenesis associated with altered microbial production of short-chain fatty acids and human-host metabolizable energy, The ISME Journal 2025; 19(1): wraf103. https://doi.org/10.1093/ismejo/wraf103

Das Wichtigste auf einem Blick

  1. Methanogene Mikroben machen den Darm zu einem effizienteren „Energieverwerter“.
  2. Wer Methan bildet, gewinnt aus Ballaststoffen mehr Energie – aber nur bei faserreicher Kost.
  3. Dieselbe Mahlzeit kann je nach Mikrobiom unterschiedlich viel Energie liefern.
  4. Ein aktives Methan-Mikrobiom ist vorteilhaft bei Energiemangel, ungünstig bei Übergewicht.
  5. „Kalorien“ sind keine feste Größe – sie hängen vom Mikrobiom ab.

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